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Auf der Suche nach den TränenSchon als Meggi klein war, war sie eine richtige Heulsuse. Bei jeder Gelegenheit kamen ihr die Tränen, egal, ob sie traurig oder wütend, glücklich oder ängstlich war- die Tränen strömten immer nur so aus ihr heraus. Das war meist gar nicht so angenehm. Oft wurde sie dafür schräg angeguckt, manchmal bekam sie auch dafür Ärger, weil ihre Mutter diese vielen Tränen nicht mehr sehen konnte. Aber Meggi konnte es nicht ändern. Sie versuchte es immer wieder, biss sich auf die Zunge, versuchte an was anderes zu denken, dachte sich immer wieder neue Tricks aus- nichts half. Sie schaffte es nicht, ihre Tränen zurückzuhalten. Und jedes Mal, wenn ihre Mutter es sah, gab es wieder Ärger und jedes Mal wenn es Ärger gab, flossen die Tränen noch mehr. Mit der Zeit gewöhnte sich Meggi daran, sie hatte ja eh keine Chance. Selbst als sie schon erwachsen war, ging es nicht besser. Bis eines Tages- bis eines Tages der ganze Spuk auf einmal aufhörte. Es war Wahnsinn- von einer Sekunde zur nächsten flossen keine Tränen mehr. Meggi war froh darüber, so konnte man ihr nicht mehr so schnell ihre Gefühle ansehen. Sie war nicht mehr die Heulsuse, sie war ganz normal. Aber war sie das wirklich? Am Anfang fand sie das ja noch gut, doch mit der Zeit merkte sie, dass sie gar nicht mehr weinen konnte. Es war ein komisches Gefühl traurig zu sein, die Tränen zu spüren, aber sie kamen einfach nicht. Okay ,manchmal war es echt super, denn sie war oft traurig oder wütend und so konnten es die anderen Leute wenigstens nicht sehen. Aber nachts, wenn sie im Bett lag und eigentlich mal so richtig ihre Gefühle hätte rauslassen können, da ging es auch nicht mehr. Aber auch daran gewöhnte sie sich irgendwann. Und sie versuchte damit zu leben- es war immerhin besser, als dauernd verheult durch die Gegend zu laufen. Nur manchmal, ganz selten, wenn sie an die Zeit zurückdachte, als sie noch weinen konnte, da kamen sie manchmal wieder. Aber das war nur selten und half ihr nicht wirklich. Doch dann kam eine Zeit, in der sie oft traurig war- ja manchmal sogar total verzweifelt. Da wünschte sie sich oft ihre Tränen zurück. Denn irgendwie können Tränen auch erleichtern, den Schmerz hinausspülen. Aber sie konnte machen was sie wollte, immer tiefer bohrte sich der Schmerz in sie rein und da keine Tränen kamen, hatte der Schmerz auch keine Chance rauszukommen. Doch je mehr sie runterschluckte, um so mehr schmerzte es sie, umso mehr wünschte sie sich die Tränen zurück. Eines Tages sie stellte fest, dass es noch mehr Menschen mit grossen Schmerzen gab. Das half ihr etwas. Die Schmerzen des anderen lenkte sie ein wenig von den eigenen ab. Dieses Gefühl für den anderen, diesen Schmerz, den der andere aushalten musste, die eigene Verzweiflung- kam es daher, oder kam es daher, dass sie nicht wollte, dass jemand anders leiden musste, weil sie erkannte wie wichtig der andere für sie war ? Dass der Schmerz des anderen für sie schlimmer war als der eigene? Ein komisches Gefühl durchströmte sie, sie fühlte die Tränen kommen, sie waren schon fast an den Augen- da hörte es leider auf. Fast hätte sie weinen gekonnt, fast hätte sie es geschafft. Sie verstand es nicht, sie sehnte sich nach Tränen, nach Tränen die ihr ein wenig von den Schmerzen nehmen können. Ein paar Tage später überkam sie der Schmerz wieder. Und wieder war es nicht ihr eigener, wieder war es der Schmerz des anderen, der sie fast zum weinen brachte. Aber als sie schon dachte, jetzt wäre es endlich soweit, da hörte es auch schon wieder auf. Es war zum verzweifeln, erst konnte sie nicht aufhören zu weinen und dann hat sie das weinen einfach verlernt. So war es doch nicht richtig, so wollte sie das nicht. Eines Tages musste sie zusehen, wie der andere wahnsinnige Schmerzen hatte. Doch diesmal konnte sie nichts tun. Sie versuchte alles, tröstete und versuchte zu helfen, aber irgendwie schaffte sie es einfach nicht. Die Schmerzen des anderes waren für sie schlimmer als ihre eigenen. Sie schüttelte sich vor Verzweiflung, spürte ihre Tränen und dann, ja und dann waren sie da. Seit vielen vielen Jahren die ersten Tränen- es war nur eine in jedem Auge, aber es war ein Anfang. In diesem Moment fiel es Meggi gar nicht so wirklich auf, dass da ein kleines Wunder geschehen war, erst sehr viel später, als sie versuchte die Geschichte ihrer verlorengegangen Tränen aufzuschreiben, da erkannte sie, was da geschehen war. Es war ein erster Anfang. Sollte es ihr vielleicht doch noch gelingen ihre Tränen wieder zu finden? Sie schrieb ihre Geschichte auf las sie noch mal durch, korrigierte die eine oder andere Stelle und las sie wieder durch. Das merkwürdige daran war, mit jedem neuen durchlesen geschah etwas mit ihr. Sie war nicht traurig, sie war nicht wütend und trotzdem, trotzdem spürte sie die Tränen kommen. Plötzlich liefen sie aus ihren Augen, ganz plötzlich waren sie einfach da. Nein, es war noch kein richtiges weinen, keins was so richtig erleichtert, aber es waren Tränen, Tränen, die ihr die Hoffnung gaben, dass auch sie eines Tages in der Lage sein wird ihre Gefühle zu zeigen. 03.06.2002 © Schlappy zurück zur Geschichtenübersicht
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17.02.2007
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