Dr. med. Ingo Spitczok von Brisinski
ADHS und Mobbing in der Schule
Dr. med. Ingo Spitczok von Brisinski ist Leiter der Kinder-
und Jugendpsychiatrie Viersen. Die Klinik hat einen Einzugsbereiche von
2,5 Millionen Einwohnern.
Als erstes hat Herr Spitczok von Brisinski den Titel seines
Vortrages geändert, so dass die Überschrift jetzt so aussieht:
Dr. med. Ingo Spitczok von Brisinski
ADS und Mobbing in der Schule
Mobbing- eine Begriffserklärung:
Mobbing ist ein Begriff aus dem lateinischen und bedeutet "wankelmütige
Volksmenge"
Das Wort Mobbing geht zurück auf das englische Substantiv mob,
welches übersetzt wird mit Mob, Pöbel.
Als Verb to mob bedeutet es, einen Arbeitskollegen ständig
zu schikanieren, zu quälen oder zu verletzten mit der Absicht, ihn
zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu veranlassen.
Bereits 1958 verwendet der Verhaltensforscher Lorenz diesen Begriff,
um das Angriffsverhalten einer Gruppe von Tieren gegenüber einem
einzelnen stärkeren Tier zu beschreiben. Ähnliches Angriffsverhalten
beobachtet der schwedische Arzt Heinemann 1972 bei Kindern und bezeichnet
es ebenfalls als Mobbing. Seine Publikationen tragen maßgeblich
zur Verbreitung und zur Etablierung des Begriffs in der schwedischen Alltagssprache
bei. Forschungsarbeiten des Schweden Olweus (1978) zum Thema Mobbing im
Schulbereich erweitern den Begriff und beziehen neben Gruppengewalt auch
Individualgewalt gegen einzelne Personen mit ein.
Parallel zum Begriff Mobbing entwickelt sich im Englischen der Begriff
bullying. Dieser leitet sich ab vom Wort bully,
welches brutaler Mensch oder Tyrann bedeutet.
Bullying wird synonym zum Begriff Mobbing verwendet.
Mobbing in der Schule
ist z.B. wenn eine ganze Gruppe einen einzelnen quält, oder eine
Gruppe guckt zu, wie ein einzelner gedemütigt wird. Man spricht erst
von mobbing wenn die Vorfälle über einen längeren Zeitraum
stattfinden und nicht schon ein oder zweimaligen vorfallen
Die betroffene Person sieht sich wegen sozialer, ökonomischer, körperlicher
oder psychischer Eigenschaften außerstande sich zu wehren oder dieser
Situation zu entkommen.
Erscheinungsformen
Mobbing ist, ...
- von jemanden schlecht reden
- jemanden seine Sachen klauen
- jemanden seine Sachen kaputt machen
- jemanden lächerlich zu machen
- über jemanden Gerüchte zu verbreiten
- jemanden nicht zu Wort kommen lassen
- sich über jemanden lustig zu machen
- Andeutungen über jemanden zu verbreiten
- jemanden ständig unter Druck und Kritik setzen
- jemanden zwingen ungenießbare Sachen zu essen oder trinken
Phantasievolle Mobber machen auch:
- Schulsachen kaputt
- zerreißen Seiten
- beschmutzen Sachen
damit derjenige "besser" lächerlich gemacht werden kann,
Ärger bekommt, oder als dumm hingestellt werden kann.
Differenzieren 1
- direktes mobbing: hänseln, drohen, abwerten, schlagen
- indirektes mobbing: nicht berücksichtigen, übersehen, ausschließen
- aktives mobbing: knuffen, schlagen, etc.
- passives mobbing: ausgrenzen, Informationen zurückhalten, auslachen,
schneiden, verpetzen, drohen
Differenzierung 2
- objektives mobbing: was von außen stehende Mitschüler berichten
- subjektives mobbing: was der Betroffene selber empfindet und berichtet
Wie kommt es dazu?
Mobbing kann ein Entladungsventil für Frustrationen und Aggressionen
sein, wenn Entlastung nicht anders möglich ist, bzw. Frustrationen
und Aggressionen nicht verhindert werden können. Das Opfer ist der
Sündenbock.
Über/Unterforderung des Opfers oder der Täter, gegebenenfalls
auch weiterer Mitschüler mit zahlreichen Frustrationen oder Langeweile
verbunden, so dass Ablenkung willkommen ist. Ärger wird an schwächeren
ausgelassen
Ursachen
es ist dann ein versuch die eigenen Minderwertigkeitsgefühle an
anderen auszulassen Täter waren oft vorher auch mobbing Opfer
mobber versuchen sich durch ihre ausgrenzenden handlungenaanerkennung
zu holen
- familiäre Situation
- kulturelle Unterschiede
- mangelnde Sprachkenntnisse
- Der Leisungsdruck in der Klasse über eine längere Zeit kann
das Klima negaitv beeinflussen
- Bei Angst, in der Schule zu versagen und dem damit verbundenen Ohnmachtsgefühl,
kann mobbing als Verdrängungsmechanismus begünstigen
Häufigkeit
- in allen Altersstufen
- auf allen Schulen
- alle Altersstufen (am meisten in den mittleren Jährgangen. Jungen
eher direkt, Mädchen eher indirekt)
Von 15000 Schülern sehen sich etwa 20% regelmäßig als
Mobbongopfer
Etwa 3% bis 90% denken dass sei schon mal Mobbingopfer waren. Wenn man
Mobbing genauer definiert, sind es immer noch etwas 3% bis 20%, die schon
mal Mobbingopfer waren
Je spezifischer die Angaben sind, desto niedriger die Rate der Betroffenen:
bei Tatkatalog ca. 5%
bei Definition ca. 89%
etwas 20 % aller Selbstmorde bei Schülern, hat mobbing eine wichtige
Rolle gespielt
Wie entsteht Mobbing?
Mobbing ist ein System für gestörte Kommunikation.
Der Täter spürt nicht, dass das Opfer leidet. Die Opfer bekommen
zu wenig Rückmeldung von außen, sie werden eher noch ausgelacht.
Die Opfer werden isoliert , der Täter bekommt keine ausreichend
deutliche Rückmeldung über die Auswirkung seiner Schikane.
"Ärgern macht Spaß"- die Opfer können nicht
aussteigen. Dadurch kann schnell eine Abwärtsspirale entstehen.
Mobbing muss ernstgenommen werden!
Mobbinopfer trauen sich nicht viel zu und haben oft Angst sich Hilfe
zu holen.
Wie entsteht Mobbing?
Am Anfang ind es nur einzelne Konflikte und/(oder Gemeinheiten.
Dem Opfer fehlen Verteidigungsmöglichkeiten.
Mobbing kann nur entstehen und fortdauern wenn das Opfer den Prozeß
nicht beenden kann.
Warum kommt es oft zu fortgesetzten Mobbing?
Scham und Angst vor weiteren Repressalien veranlassen das Opfer zu schweigen
anstatt Hilfe zu holen.
Lehrkräfte ist dies oft bekannt. Doch greifen diese ein ist oft
die Folge davon, dass das Opfer noch mehr ausgegrenzt oder bestraft wird.
Prinzipiell kann jeder Opfer oder Täter werden
Typische Eigenschaften des Opfers:
- geringes Sebstbewusstsein, negative Einstellung zu sich selbst
- ihr Verhalten ist ängstlich, unsicher, überangepasst
- halten sich selbst für dumm, wertlos, wenig anziehend
- Außenseiter (wenige oder gar keine Freunde)
- schlagen nicht zurück, reagieren mit Hilflosigkeit
- Gewaltächtende Erziehung (sie haben den Umgang mit Feindseligkeiten
nicht gelernt)
- gutgläubige Schüler
- andersartiges Aussehen, Ungeschicklichkeit oder geringe Frustrationstoleranz
können hinzukommen
Typische Eigenschaften des Opfers mit ADS/ ADHS und /oder Aspergersyndrom
ADS: erhöhtes Risiko für geringes Selbstbewusstsein
und negativer Einstellung zu sich selbst, aufgrund wiederholter Misserfolgserlebnisse
infolge der Aufmerksamkeitsstörung. Sie sind eher ängstlich,
unsicher, überangepasst und reagieren oft mit Rückzug und Hilflosigkeit
ADSler sind eher kongnitiv unterlegen, wie neuere Studien zeigen
ADHS: sie haben ein erhöhtes Risiko Täter zu werden
aber auch Opfer , wegen der negativer Rückmeldung, dem geringen Selbstbewußtseins
und der geringen Frustrationstoleranz
Asperger: sind oft besonders gutgläubig. Sie haben eine auffällige
Sprache, motorische und soziale Ungeschicklichkeit und eine deutlichere
Zwangssymptomatik und/oder zusätzlich ADHS. Sie haben auch eine geringe
Furstrationstoleranz. Bei zusätzlichen ADS gibt es kein zurükschlagen,
eher Hilflosigkeit und Rückzug. Auch sie haben ein geringes Selbstbewußtsein.
Typische Eigenschaften des Täters
- Machtbedürfnis
- Demonstration von Stärken
- Aggressiv
- Impulsiv
- wenig Mittgefühl
- wenig soziale Fähigkeiten
- weniger beliebt, aber beliebter als das Opfer
- gegenüber Gleichaltrigen und Erwachsenen aggressiv
Typische Eigenschaften des Täters mit ADHS
- Bedürfnis nach Action
- Impulsivität, verbal oder körperlich
- Aggressivität
- Hyperaktivität
- zum Teil durchschnittlich oder weniger beliebt
- Aufgrund erhöhter ablenkbarkeit und schnellem vergessen wenig
Mitgefühl
- impulsiv, zum Teil aufgrund weniger sozialen Fähigkeiten
Begleitstöerungen bei ADHS
- Aggressivität/ dissoziales Verhalten 43% bis 93%
- Depression 9% bis 38%
- Angsttörungen 25%
- Ticstörungen
- Sprachentwicklungstörung
- Legasthenie
- Übergewicht
- Selbstmordgedanken
- gehäuft verminderte kognitive Fähigkeiten
Begleitstörungen bei Autismus
- motorische Ungeschicklichkeit
- sprachliche Auffälligkeiten
- Zwangsstörungen
- ADHS
- Angsstörungen elektiver Mutismus
- Depression
- Schizophrenie
Täter: Störung in der sozialen Wahrnehmung oder Verdrängung
Er reagiert beim Themea Mobbing bagatellisierend und behauptet es nicht
ernst gemeitn zu haben. Sie sind zum Teil nicht fähig nachzuvollziehen
was für Qualen ihr Opfer durch die Ausgrenzung erleidet oder sie
schieben die Schuld auf das Opfer in dem sie behaupten sie seien provoziert
worden.
Folgen für das Opfer
Das Opfer sucht die Schuld bei sich selbst und holt aus Angst und Scham
keine Hilfe, bzw. hat Angst vor weiterem Mobbing.
Nur jeder 3 informiert einen Lehrer und jeder 2 erzählt es seinen
Eltern.
Die Folgen sind:
- Isolation
- Stress
- Schulunlust wegen Angst
- verliert Selbstvertrauen
- psychische Störungen
- Schlafstörungen
- opfschmerzen
- Bauchschmerzen
- Stressreaktionen
- schämen sich weil die gemobbt werden
- trauen sich nicht etwas zu sagen, damit das Mobbing nicht noch schlimmer
wird
indirekte Hinweise auf Mobbing sind:
- Schulunlust
- das Kind möchte zur Schule gefahren werden
- kommt zu spät in den Unterricht, ist aber pünktlich losgegangen
- das Kind braucht lange für den Rückweg
- es äußert Ängste
- es wirkt bedrückt
- die Leistungen lassen nach
- es ist in letzter Zeit unkonzentriert
- bringt häufig kautte Sachen mit nach Hause
- verliert Geld
- zieht sich zurück
- hat Selbstmordgedanken
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit
- Kopfschmerzen
- Bauchschmerzen
- Fehltage wegen schwänzen
wenn es hierzu keine schlüssige Erklärung gibt
Nicht ignorieren!
Das Thema besonnen angehen und keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Keine einseite Schuldzuweisung und sich eingehend informieren.
Ein Schulwechsel ist meistens keine Lösung, da das Opfer trotzdem
noch typische Verhaltensweisen hat und so schnell auch auf einer anderen
Schule zum Opfer werden kann. Keine Seite lernt daraus.
Besser ist es über die Schule Kontakt aufzunehmen. Mit Täter
und Opfer einzeln und zusammen reden. Man sollte Tätern und Mitschülern
einen Perspektivenwechsel ermöglichen, um die psychischen Folgen
für das Opfer klar zu machen. Sie müssen lernen wie es zum Mobbing
kommt und wie man auch wieder da heraus kommt.
Ein Gespräch mit den Lehern ist auch sinnvoll. Oft bekommen die
Lehrer nicht alles mit und/ oder die Definiton bei Lehrern ist schwammig,
die Situation erscheint ihnen vielleicht altersgerecht und empfinden es
noch nicht als Mobbing, bzw. sie finden dass das Opfer übertreibe
und/ oder zu sensibel oder selber Schuld sei.
Das Kind sollte angeregt werden die Situation für Eltern und Lehrer
aufzuschreiben (Mobbing-Tagebuch). Es sollte wissen, dass es sich beim
annonymen Telefon melden kann. Es ist wichtig mit dem Kind zu besprechen,
was ihm helfen kann die Angst und Scham zu überwinden, um Lehrer
zu informieren. Viele Schüler schämen sich, aber das hilft einem
nicht aus dieser Situation heraus- dies muss dem Kind klargemacht werden.
Mobbing muss Thema das Klasse undSchule werden und der Konflikt muss
ausgetragen werden
Man muss Sensibilität schaffen.
Das mobbing Opfer sollen Lehrern und Eltern davon erzählen
Maßnahmen auf breiter Basis
- Erhöhte Lehrerpräsenz in den Pausen senkt die Häufigkeit
des mobbens.
- Es sollten mehr Informationen über Mobbing herausgegeben werden
über "Wie kann mobbing verhindert werden?"
- Wie können Bedingungen verbessert werden dass beide Seiten ohne
mobbing zurecht kommen?
Fragen an die Lehrer:
- Erfolgen Lehrergespräche mit den Eltern der Mobber?
- Wie werden Täter und Opfer aktiv in die Lösung mit einbezogen?
- Wie wird der Täter mit seinem Opfern und dem Unrecht konfrontiert?
(Soziales Kompetenztraining)
- Welche Konsequenzen gibt es auf Klassenebene, auf Schuleben für
Mobber?
- Wie wird konkret auf ausgrenzen, hänseln und mobbing durch Mitschüler
reagiert?
- Wie werden die Opfer geschützt/ unterstützt?
- Gibt es ein Kontakttelefon?
- Werden die Opfer zu einem persönlichen Gespräch bewegt?
- welche Klassenregeln gibt es?
- sind Themen wie Klassenklima Inhalte?
- Wird Mobbing diskutiert?
- sind die Schüler nach dem Konfliktlotsenmodell ausgebildet?
- ist ein soziales Kompetenztraining und Konfliktbewältigungstraining
durchgeführt worden?
Lehrer und Klasse
Das Vertrauen des Opfers bekommen, Gefahr einer Sonderrolle--> kann
Außenseiterrolle verstärken und Mobbing verstärken. Es
ist eine Gratwanderung, denn ohne Vertrauen meldet sich das Opfer nicht.
Das Opfer hat Angst, bei Diskussionen in der Klasse zum Mittelpunkt zu
werden oder das peinliche Sachen angesprochen werden. Deshalb sollten
solche Gespräche immer ohne Schuldzuweisungen besprochen werden und
nur bei einem Gespräch unter vier Augen kann ein Bezug zu der Situation
hergestellt werden.
Erziehungsarbeit
- die Kritik und Konfliktfähigkeit in der Familie und Schule üben
- Gruppenaktivitäten für das Selbstbewusstsein (damit das
Opfer lernt, dass es auch ohne mobbing geht)
- Stärken nutzen
- sich mit anderen Gleichaltrigen messen (nur solange auch wirkliche
Chancen bestehen)
- Lebenseinstellung ändern
- Nein-sagen lernen
- Entscheidungen nicht alle abnehmen
- selber ausprobieren lassen
Diagnose und Therapie
- Optimierung und/oder Ergänzung ADS Therapie
- Ausschluß von Entwicklungsrückständen und psychischen
Störungen
- Opfer und Täter sollten untersucht werden ob obiges zutrifft
Tipps bei Bedrohung
- sich vorbereiten/ üben
- durchatmen, keine hastigen Bewegungen, "Bleib ruhig!"
- sich nicht vor Angst lähmen lassen
- du musst nicht Opfer sein- deutlich machen was du willst und aktiv
zu deinem Gunsten zu beeinflussen
- Kontakt zum Angreifer halten
- kein Körperkontakt
- andere deutlich ansprechen (wenn du jemanden kennst, sprich ihn mit
Namen an)
- nicht drohen/ beleidigen
Wertschätzung von Opfer und Täter
- nach Stärken suchen- Bestätigungen geben- stärken
- mehr Wertschätzung, weniger Kritik--> weniger Mobbing
- Beistand durch Mitschüler
- Bezeihungen knüpfen lassen
- mit Mobbingopfer zusammen was machen
Weitere Möglichkeiten für das Opfer um Hilfe zu bekommen
- Polizei
- therapeutische Hilfe
- andere Beratungseinrichtungen
- Erziehungsberatungsstelle
- Jugendamt
- schulpschologischer Dienst
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08.08.2005
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